Diagnostik

Diagnostik bei Lagerungsschwindel

Ich werde ihnen hier das Vorgehen in meiner Praxis erläutern. Es wird wohl etwas aufwendiger sein, als bei vielen meiner Kollegen. Ich mache mir aber gerne ein komplettes Bild vom Hör- und Gleichgewichtsorgan. Bei einem akuten, richtig typischen Lagerungsschwindel mit zum Teil heftigen Reaktionen lasse ich nur die Basisdiagnostik durchführen und quäle den/die Betroffene nicht weiter.

Anamnese

Das Wichtigste bei jeder Erkrankung ist und bleibt die Anamnese. Gerade beim Lagerungsschwindel ist diese so typisch, dass man schon fast keine weitere Diagnostik mehr durchführen muss. Wenn der Patient bereits in der Vergangenheit unter einem Lagerungsschwindel litt, dann kann er die Symptome schon selbst deuten und der „Profi“ hat bereits zu Hause die Lagerungsübungen durchgeführt.

Lagerungsprüfung

Es ist DIE Methode zur Diagnostik des gutartigen Lagerungsschwindels. Eine kleine einfache Lagerungsprüfung mit Überwachung der Augenbewegungen führt sehr sicher zur Diagnose eines Lagerungsschwindels. In dem Moment, wenn man den Betroffenen auf eine Seite legt, schaut man sich die Augen an. Entweder sofort (wahrscheinlich bei Cupulolithiasis) oder nach einem kurzen Moment (kann bis zu einer halben Minute dauern – wahrscheinlich bei Canalolithiasis) fangen die Augen an, sich typisch hin und her zu bewegen. Der medizinische Ausdruck für die gerichteten Augenbewegungen ist Nystagmus.

Diesen erkennt man entweder mit bloßem Auge (nicht so sicher), mit einer so genannten Frenzelbrille oder sogar mit einer Videokamera.

Zur genaueren Überprüfung und Lokalisation des gutartigen Lagerungsschwindels des vorderen und hinteren Bogenganges eignen sich entweder die Lagerungsprüfung nach Hallpike-Stenger oder Hallpike – Dix.

Hallpike Stenger Manöver

Der Patient sitzt aufrecht mit gestreckten Beinen auf der Untersuchungsliege. Der Kopf wird um 45 Grad zur betroffenen Seite gedreht. Im Anschluss erfolgt die rasche Lagerung in die Rückenlage, wobei der Kopf über das Ende der Liege herausragen muss (Kopfhängelage).

Dix Hallpike Manöver

Bei diesem Manöver sitzt der Patient aufrecht auf der Liegenkante, dem Untersucher direkt gegenüber. Der Kopf wird um 45 Grad zur Seite des nicht betroffenen Ohres gedreht. Dann wird der Patient rasch auf die erkrankte Seite gelagert. Auch hierbei sollte der Kopf die Liege überragen (seitliche Kopfhängelage). Nach Abklingen der Beschwerden (Schwindel, Nystagmus) wird der Patient wieder in die sitzende Position gebracht.

Beurteilung der Ergebnisse:

Einseitiger Befall des hinteren Bogenganges:

Bei der einseitigen Erkrankung des hinteren Bogenganges kommt es nach einigen Sekunden zu einem Nystagmus (schnelle, gerichtete Augenbewegungen), der zur betroffenen Seite, also zur Erde schlägt (=“geotroper Nystagmus“). Typischer Weise ist er stark rotierend und wiest eine an- und absteigende Phase auf. Dies entspricht auch der Schwindelempfindung. Der Schwindel und der Nystagmus dauern nicht länger als eine Minute!

Einseitiger Befall des vorderen Bogenganges:

Bei dem Lagerungsschwindel des vorderen Bogenganges handelt es sich um eine sehr seltene Form. Der Nystagmus ist entgegengesetzt zum Befall des hinteren Bogenganges. Er schlägt in Richtung des Kinns des Patienten.

Die Lagerungsprüfungen sollten recht zügig erfolgen. Abruptes Abbremsen des Kopfes erhöht die Wahrscheinlichkeit, einen Nystagmus zu sichern, aber auch die Intensität des Schwindels.

Der Untersucher sollte auf heftigste Reaktionen vorbereitet sein. Der Schwindel kann zu Erbrechen führen. Die menschliche Zusprache an den Patienten ist enorm wichtig und gibt ihm zusätzlichen halt. Bedenken sie, dass sich der Patient vor den Schwindelanfällen stark fürchtet!

Erschwert wird die Untersuchung durch den Mechanismus der Habituation. Das heißt, dass sich der Nystagmus nicht immer zeigt, vor allem, wenn zuvor bereits Untersuchungen stattgefunden haben. Daher sollte die Untersuchung auf Lagerungsschwindel VOR allen anderen Untersuchungen erfolgen.

Audiologische Diagnostik

Als HNO Arzt sollte bei jeder Form des Schwindels auch eine Hördiagnostik durchgeführt werden. Hinter einem Lagerungsschwindel können sich zeitgleich auch andere Erkrankungen des Hör- und Gleichgewichtsorgans verstecken. Gerade Patienten mit Morbus Menière haben häufiger einen Lagerungsschwindel.

Videokopfimpulstest

Eine sehr moderne und effektive Art der Gleichgewichtsdiagnostik ist der Videokopfimpulstest. Dabei trägt der Patient eine Brille, in der eine Kamera angebracht ist, die Augenbewegungen aufzeichnet, und wird angewiesen einen Punkt auf einer ca. 1,50 Meter entfernten Wand zu fixieren.

Der Untersucher steht hinter dem Patienten und bewegt mit kurzen, schnellen Bewegungen den Kopf um circa 10 Grad nach rechts und 10 Grad nach links. Wenn die Augen nicht der Kopfbewegung widerstehen können, oder sich sogar zurückstellen müssen, dann hat das betreffende Gleichgewichtsorgan ein Problem.

Man kann so die Funktion jedes einzelnen Bogengangs innerhalb von zehn Minuten testen.

Nicht selten kommt es vor, dass Patienten mit Lagerungsschwindel zusätzlich unter einer Funktionsstörung (Entzündung?) des Gleichgewichtsorgans/- nerven leiden. Man entdeckt dies entweder im Videokopfimpulstest oder in der Elektronystagmographie.

Video-/Elektronystagmographie

Die Video- oder Elektronystagmographie ist die klassische Untersuchungsmethode für das Gleichgewichtsorgan. Durch eine thermische Reizung des Ohres (Wasser oder Luft) werden typische Augenbewegungen ausgelöst. Dies Nystagmen werden dann entweder durch Elektroden oder durch eine Videokamera registriert und gezählt. Weicht die Anzahl der Augenbewegungen der einen von der anderen in einem gewissen Maß ab, dann kann man auf eine Fehlfunktion des Gleichgewichtsorgans schließen.

Gerade beim Lagerungsschwindel, beobachtet man des Öfteren auch eine Unterfunktion des betreffenden Gleichgewichtsorgans. Hier ist eventuell eine zusätzliche medikamentöse Therapie z.B. mit einem absteigenden Kortikoidschema sinnvoll.

Hirnstammaudiometrie

Bei der Hirnstammaudiometrie oder auch BERA genannt werden die Ohren mit bestimmten Klickimpulsen stimuliert und mit Hilfe von Elektroden eine Art ENG registriert. Durch einen komplizierten Algorithmus berechnet der Computer dann die Zeit, die der Schall vom Innenohr bis ins Gehirn benötigt. Die Art der Analysekurven und die Zeitdifferenz können ein Hinweis auf ein Problem am Hör- und Gleichgewichtsnerv sein.

Beim akuten Lagerungsschwindel ist diese Untersuchung sicherlich entbehrlich.

Bildgebende Verfahren

Auf bildgebende Verfahren kann man bei typischer Anamnese und Lagerungsprüfung komplett verzichtet werden. Bei wiederkehrenden Problemen kann eine Kernspintomographie zum Ausschluss von zentralen Störungen oder ein hochauflösendes Felsenbein – CT zum Ausschluss einer Dehiszens des Bogengangs sinnvoll sein.